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Frühgeschichte:

Menstruation, Monatshygiene und Frauengesundheit in antiken Ägypten

by Petra Habiger

©1998 Petra Habiger

     

Einen der wichtigsten Meilensteine in der Geschichte der Menschheit stellt wohl die Entwicklung der Schrift dar, denn sie ist es, die uns heute Zeugnis antiker Kulturen gibt.

Viele Mythen unterstellen dem Menstruationsblut eine lebenspendende Funktion.

So glaubten viele Indianer Südamerikas, die gesamte Menschheit sei aus "Mondblut" erschaffen worden. Von der mesopotamischen Muttergöttin Ninhursag heißt es, sie machte die Menschen aus Lehm und ihrem "Blut des Lebens". Sie wies Frauen an, aus Lehm kleine Puppen zu formen und sie bestrichen mit ihrem Menstruationsblut -, als Empfängniszauber zu verwenden. In der biblischen Genesis leitet sich der Name Adam vom hebräischen "adamah" ab, was soviel wie blutiger Lehm bedeutet. Babylonier, Römer, Inder oder Moslems machten das Mondjahr zur Grundlage ihres Kalenders.

In den meisten Hochkulturen war die Mondgottheit weiblich (Ischtar (Assyrien/Babylonien), Quilla (Inka), Dschan (Thailand), Selene (Griechenland), Luna (Römisches Reich), und sehr oft war die Mondgöttin auch Göttin der Fruchtbarkeit und der Mutterschaft. Zudem wird der Halbmond oftmals mit jungfräulichen Gottheiten wie der griechischen Artemis oder der römischen Diana und später sogar mit der Jungfrau Maria gleich gesetzt. Die römische Göttin Juno wurde mit dem Neumond assoziiert.

Im Alten Ägypten wurde der Mond strikt auf den ibisköpfigen Gott Thot bezogen, der übrigens auch als Erfinder der Schrift galt. Eine Pyramideninschrift aus dem Jahre 2300 v. Chr. setzt den Mond mit Tefnut, der Tochter des Schöpfergottes Atum gleich. In der griechisch-römischen Zeit (3. Jh. 4. Jh. N. Chr.) wurde dann die ägyptische Nechbet mit der griechischen Mondgöttin Selene in Verbindung gebracht. Was Ägypten anbelangt, können wir so gesehen zumindest von einer allmählichen "Femininisierung" des Mondes im Laufe der Jahrhunderte sprechen. Das Attribut der Fruchtbarkeit wurde dem Mond allerdings bereits in viel früherer Zeit zugeschrieben.

Ägypten besaß wohl eine von Männern beherrschte Gesellschaftsstruktur. Aber obgleich das öffentliche Leben eine männliche Domäne darstellte, und die Frauen später eher Funktionen aus dem privaten Bereich übernahmen, schienen sie während des Alten Reiches (vor 2155 v. Chr.) auch Aufgaben in der Verwaltung ausgeübt zu haben.

Obwohl die Frauenforschung in der Archäologie noch in den Kinderschuhen steckt, kommt der erste Hinweis auf das Thema Menstruation aus dem Alten Ägypten.

Linguistik

So weit ich herausfinden konnte, war dieses Thema offensichtlich nie Gegenstand einer Reliefdarstellung, es existieren jedoch einige sehr interessante Passagen in alten Texten.

Das altägyptische Wort für Menstruation ist hsmn (die Aussprache "chesmen" ist nicht wirklich gesichert, da Vokale in der Schrift für gewöhnlich weggelassen wurden).

 

Die Heiroglyphe hsmn, Menstruation

 

hsmn, Eine Schreibweise aus einer späteren Epoche (1). (Notizen finden Sie am Schluß dieses Aufsatzes.)

Eine Entzifferung erschwerte auch die Tatsache, daß aus ästhetischen Gründen die Hieroglyphen sowohl von oben nach unten oder umgekehrt, von rechts nach links oder von links nach rechts geschrieben werden konnten.

Die Ägypter waren ein Volk, das die Schönheit liebte und gefällige Proportionen nicht nur in der Schrift schätzte. (Siehe dazu den Aufsatz von Dr. Friederike Schneider, "Körperpflege im Alten Ägypten")

Tabu

Eine Inschrift im Hathortempel zu Edfu beinhaltet eine Liste von Gottheiten und ihre spezifischen Abneigungen. Einer von ihnen hegt offensichtlich eine Aversion gegen menstruierende Frauen.

Manche Ägyptologen tendieren zu der Annahme, daß in bestimmten Tempeln strenge Tabus gegen die Menstruation herrschten, diese jedoch nicht allgemein gültig waren. Zumindest gibt es keinen Beweis für die Existenz von Menstruationstabus in unserem heutigen Sinne, obwohl die "Geschichte eines Wäschers" (wie wir noch sehen werden) durchaus als negatives Beispiel ins Feld geführt werden kann.

Das Thema Menstruation wurde ziemlich zweigleisig gehandhabt, denn im Gegenzug wurde dem Menstruationsblut oft sogar eine heilende Wirkung zugeschrieben und wurde wie uns die sogenannten Medizinisch/Magischen Papyri (2) verdeutlichen -, zur Herstellung von Arzneien, Salben etc. verwendet.

Frauengesundheit

Der erste Fall wird im Papyrus Kahun beschrieben, der offenbar während des Mittleren Reiches (ca. 1850 v. Chr.) abgefaßt wurde. Er beginnt mit einer Überschrift diagnostischen Charakters, welcher aber ärztliche Untersuchungen und eine Beschreibung von Symptomen bereits voraussetzt:

Heilkunde (einer Frau, deren Augen) krank sind, so daß sie nicht sehen kann, und die an ihrem Nacken leidet. Dann sollst du dazu sagen: Das sind (Überflußstoffe) des Uterus in ihren Augen.

Dann sollst du dagegen machen: sie werde beräuchert mit Weihrauch und mit frischem Öl; beräuchert werde ihre Vulva damit; beräuchert werden ihre Augen mit Pirol-Schenkeln. Dann sollst du veranlassen, daß sie frische Leber vom Esel ißt.

Der Esel wurde oftmals mit dem das Böse verkörpernden Seth gleichgesetzt; die Leber zu essen bedeutete quasi auch eine gewisse symbolische Schwächung oder Vernichtung der Gottheit.

Ein anderer Fall handelt von Schmerzen an After, Schamgegend und den Ansätzen der Oberschenkel, welche Ausscheidungen des Uterus zur Last gelegt und durch einen Trank behandelt werden. Vielleicht beschreibt der Text ja eine Pilzerkrankung, welche durchaus einen entzündlichen Hautausschlag verursachen kann.

Einige andere Beispiele beziehen auch Blasenschwäche und sogar schmerzende Füße nach dem Laufen auf Ausscheidungen der Gebärmutter.

Ein anderes Dokument ist der Papyrus Ebers (3), welcher während des Neuen Reiches (1550-1450 v. Chr.) geschrieben wurde; von ihm waren Kopien bis in persische Zeit hinein in Gebrauch (4. Jh. V. Chr.), so daß Übertragungen ins Griechische existieren, die eine sichere Übersetzung ermöglichen.

Wenn du eine Frau untersuchst, der etwas abgegangen ist wie Wasser, in dem das Ende davon ist wie gebackenes Blut; dann sollst du dazu sagen: Das ist eine Kratzwunde an ihrem Uterus. Dann sollst du ihr machen: Nilerde des Wasserholers; werde in Honig und Bleiglanz zertrümmert; werde Verbandsstoff von feinem Leinen damit gesalbt; werde in ihr Fleisch (Vulva) gegeben an four Tagen.

Der Übersetzer, Herr Westendorf, ist hier der Meinung, daß das Blut durch eine Verletzung hervorgerufen und die Blutung durch Verstopfen der Ausflußöffnung verhindert wird. Er gesteht dem Verfasser lediglich eine äußerst naive Vorstellung der Sachlage zu, da es sich seiner Meinung nach nur um die Menstruation handeln kann.

Muß man aber bei solch einer Beschreibung aus heutiger medizinischer Sicht nicht eher an etwas anderes denken?

Warum sollte eine Frau bei einer normalen Menstruation einen Arzt aufsuchen, welcher ihr dann den Gebrauch von Tampons empfiehlt? Weshalb sollte der Tampon mit "Arznei" bestrichen sein? Was hat die "Kratzwunde" in der Gebärmutter hervorgerufen? Sicher doch keine mythologische Göttergestalt.

Meiner Ansicht nach steckt hier ein - wenn auch nicht im Gesamtzusammenhang so doch zumindest symptomatisch einigermaßen gut erkanntes - Krankheitsbild dahinter.

Nun, der Text läßt uns wohl zuerst an eine "Hypermenorrhoe", eine übermäßig starke Regelblutung denken, die mit Klumpen geronnenen Blutes ("wie gebackenes Blut") einhergeht. Aber eben auch Myome oder sogar Tumore können Ursache einer solch starken ("Kratzwunde") Blutung sein.

Ein anderer Abschnitt in dem Papyrus besagt:

"Wenn du eine Frau untersuchst, die an einer Seite ihrer Schamgegend leidet; dann sollst du dazu sagen: Das ist eine Unregelmäßigkeit ihrer Menstruation."

Ein Verband mit zerkleinerten Zwiebeln, Maische und Sägemehl der Kiefer soll Abhilfe schaffen.

Der nächste Fall beschreibt eine Frau, deren Menstruation seit Jahren ausgeblieben war; "sie erbricht ständig etwas wie Flußwasser und ihr Bauch ist wie unter Feuer". All das wird als eine "Stauung ihres Blutes in ihrem Uterus" betrachtet. Die Frau sollte eine Mixtur aus Wacholderbeeren, Kreuzkümmel, Weihrauch und Erdmandeln an vier Tagen zu sich nehmen.

Papyrus Ebers

Auszug aus dem Papyrus Ebers, eine Umschrift von Walter Wreszinski

 

Die heilende Wirkung, die dem Menstruationsblut oft nachgesagt wurde, führte dann sogar dazu, daß dieses in einigen medizinischen Rezepten des Papyrus Ebers auch als Zutat selbst verwendet.

So sollen z. B. schlaffe Brüste "mit Menstruationsblut bestrichen" werden ebenso wie der "Bauch und die Hüften" der betroffenen Frau.

Ein weiteres äußerst informatives Dokument ist der Edwin Smith Papyrus (4), welcher etwa zur selben Zeit verfaßt wurde. Neben einigen Schönheitselexieren enthält er vor allem drei "Rezepte gegen Frauenkrankheiten", die ganz offensichtlich ein Ausbleiben bzw. eine Unterbrechung der Menstruation zum Thema haben:

(Oben) Ausschnitt aus dem Papyrus Edwin Smith; das Wort "hsmn", Menstruation, ist am Ende der ersten Zeile des von rechts nach links geschriebenen Textes zu erkennen. Diese sogenannte "Hieratische Schrift" ist das Ergebnis einer etwa 2900 v. Chr. durchgeführten Vereinfachung des verwirrenden Konglomerats aus Konsonanten, Silben und Wörtern der Hieroglyphen.

Hier eine Umschrift desselben Textfragmentes von James Henry Breasted; deutlich auszumachen: das Wort hsmn, am Ende der zweiten Zeile

Wenn du eine Frau untersuchst, die an ihrem Unterleib leidet, nicht ist (ihre) Menstruation gekommen; und du findest etwas an der Oberseite ihrer Vagina: Dann sollst du dazu sagen: Das ist eine Verstopfung des Blutes in ihrer Gebärmutter.

Dann sollst du ihr machen: Früchte (5), 20 Teile; Öl/Fett, 1/8; gesüßtes Bier, 40 Teile; (es) werde gekocht, (es) werde getrunken an 4 Tagen. Ferner (sollst du) ihr ein Abführmittel für das Blut machen: Föhrenöl; Kümmel; Bleiglanz; süßlich (duftendes) Myrrhenharz; (es) werde zu einer einheitlichen Masse gemacht; (es) werde ihre Schamgegend damit vielmals gesalbt.

Dann sollst du Hyänenohr (6) in Öl/Fett verabfolgen (folgendermaßen): Nachdem es verfault ist, sollst du es verreiben und ihren Beckenraum damit vielmals salben. Dann sollst du Myrrhenharz und Weihrauch zwischen ihre Oberschenkel geben und veranlassen, daß der Rauch davon in ihre Vulva eindringt.

Auf den ersten Blick mutet dieses Rezept befremdlich an, und ich war neugierig zu erfahren, was wohl eine moderne Gynäkologin dazu sagen würde.

Für Frau Prof. Dr. Jael Backe von der Universität Würzburg ist die Rezeptur nicht nachzuvollziehen, obgleich es doch einige Parallelen zur heutigen Medizin gibt. Ihrer Meinung nach muß die anfängliche Diagnose zweigeteilt werden. Der Schlüsselsatz für den ersten Teil lautet daher:"nicht ist (ihre) Menstruation gekommen"; er deutet auf ein Ausbleiben der Menstruation, eine Amenorrhoe, hin, die hauptsächlich auf Störungen des zentralen Nervensystems zurückzuführen ist, seien diese nun durch psychische Faktoren wie Streß, Kummer etc. ausgelöst oder aber durch eine körperliche Überanstrengung. Amenorrhoe wird heute mit pflanzlichen Mitteln behandelt.

Betrachtet man die Inhaltsstoffe der antiken Medizin unter diesem Aspekt, so fällt uns auf, das hauptsächlich ätherische Öle Verwendung finden, welche ja nachweislich das zentrale Nervensystem beeinflussen!

Der zweite Teil der Diagnose "etwas an der Oberseite ihrer Vagina" könnte auf die Existenz von "Warzen, Kondylomen oder Kapillomen" an der Vulva hindeuten, was jedoch mit Amenorrhoe nichts zu tun hat, aber ebenso mit pflanzlichen Mitteln behandelbar ist. Es gibt also eine geringfügige Übereinstimmung mit dem alten Text.

 

Dieser Abschnitt des Papyrus Edwin Smith oben enthält am Ende der 13. Zeile (von rechts nach links gelesen) das Wort hsmn, Menstruation.

Menstruationsblut

Dem Menstruationsblut wurde auch ein reinigender Effekt zugeschrieben.

Ein gutes Beispiel hierfür gibt das Märchen von Prinz Setne Chaemwaset dessen Frau Ahwere ihre Schwangerschaft durch das Ausbleiben ihrer Regelblutung beschreibt: "Als meine Zeit der Reinigung gekommen war, vollzog ich keine Reinigung mehr".

Schwangerschaft

Zu jener Zeit schien man sich ein relativ gutes Bild von einer Schwangerschaft machen zu können; man wußte um deren Dauer und daß ein Ausbleiben der Menstruation auf eine mögliche Schwangerschaft hindeutet.

Es existieren gewisse Gefäße aus Alabaster, die vermutlich Öle enthielten, mit der schwangeren Frauen der Bauch eingerieben wurde, um die Bildung von Schwangerschaftsstreifen zu verhindern. Die Gefäße haben die Form eines nackten menschlichen Körpers, dem jedoch die Genitalen fehlen - vielleicht ein Zauber gegen Frühgeburten?

In einigen "Sprüchen für Mutter und Kind" wurde Menstruationsblut für eine Salbe benutzt, die das Neugeborene vor Dämonen schützen sollte.

Einige medizinische Texte beinhalten offenbar auch Verhütungsmittel. Wenn auch vielleicht nicht alle davon erfolgreich waren, so konnte das Einführen von Honig bzw. Krokodilsdung in die Scheide durch die zähe Konsistenz dieser Materialien durchaus eine wirksame Blockade gegen männlichen Samen darstellen. Eine andere Rezeptur schreibt die Verwendung von Akazientrieben vor, welche Gummiarabikum enthalten, das nachweislich eine chemische Wirkung auf Sperma hat und somit eine Befruchtung aktiv verzögern könnte.

Ein roter Edelstein diente als Amulett zur Verhütung und man vermutet, daß er als Zeichen für eine anhaltende Monatsblutung eine Schwangerschaft ausschließen sollte (7).

Monatshygiene

Was nun die Monatshygiene selbst anbelangt, so ist ein wissenschaftlich-historischer Beweis nicht gesichert, da bis dato kein entsprechendes Artefakt aufgefunden bzw. nicht als solches erkannt wurde. Es gibt jedoch eine Wäscheliste, aus der einige Forscher die Existenz von binden- sowie bindengürtel- und tamponähnlichen Artikeln herauslesen wollen. Übersetzungen jedoch auf der Grundlage von Listen zu machen ist eine schwierige Aufgabe.

Heutzutage gelten etwa 95% derHieroglyphen als übersetzt, und für den Rest versuchen die Wissenschaftler, die Ausdrücke aus dem Sinnzusammenhang zu erschließen.

Wissenschaftlich gilt ein Begriff erst als gesichert, wenn er mindestens aus drei unterschiedlichen Kontexten gedeutet werden kann. Aufgrund der eher dürftigen Menge an Texten, die Ende des letzten Jahrhunderts, als das Ägyptische Wörterbuch zusammengestellt wurde, zur Verfügung standen, ist das Vorhandensein von Binden und Tampons nicht bewiesen worden obwohl solche Dinge zweifelsohne existiert haben müssen.

In einem "Weisen Text" gibt es einen weiteren indirekten Hinweis auf die damals verwendete Monatshygiene: Der Text handelt vom hoch angesehenen Gesellschaftsstatus eines Schreibers, beinhaltet aber auch einige Beispiele von "Negativkarrieren", wie die vom Wäscher, dessen (erniedrigender) Beruf es unter anderem mit sich bringt, sogar den Lendenschurz einer menstruierenden Frau reinigen zu müssen. Der Lendenschurz kann hier auch ruhig als eine Art Bindengürtel übersetzt werden. Diese Geschichte macht einerseits aber auch wieder klar, daß Menstruationsblut oft eben als unrein angesehen wurde, als etwas, mit dem ein respektabler Mann besser nicht in Verbindung kommt. Und in der Tat findet Menstruationsblut ja auch nie in einem Arzneimittel für Männer Verwendung.

Im Ägypten der Römerzeit war die Beschneidung von Männern und Frauen weit verbreitet, ja sogar die vollständige Entfernung der Klitoris war gebräuchlich, wie uns ein griechischer Text von Aëtius berichtet (8).

Um nun die Blutung nach der Operation zu stillen wurde eine Art Binde verwendet, die aus einem auf die Oberseite einer Kompresse gelegten Schwamm bestand. Ähnliches mochte wohl auch zum Auffangen der Regelblutung verwendet worden sein.

Dann gibt es ein Beispiel eines oben beschriebenen Schwangerschaftsgefäses, das eine Art in die Vagina eingeführten Tampon darstellen könnte, vermutlich um das Blut als möglichen Vorboten einer Fehlgeburt aufzufangen. Es wird nun angenommen, das es sich bei dem oftmals als Schutzamulett gebräuchlichen sogenannten Tit oder Isis-Knoten in Wirklichkeit um einen Tampon gehandelt hat, welcher von der Göttin Isis benutzt wurde, während sie mit Horus schwanger war und Seth mehrmals versuchte, das Kind im Mutterleib zu töten - unter anderem auch durch Auslösen pränataler Blutungen. Da in Ägypten viel Flachs angebaut und sogar exportiert wurde, war grobes Leinen auch für niedere Bevölkerungsschichten erschwinglich und könnte so als Rohstoff für den Tit in Frage kommen.

 

Abbildung eines Tit aus dem Totenbuch des Ani (um 1250 v Chr.), British Museum, London

 

Hölzerner Salblöffel mit Hathorkopf in Tit-Amulettform, Berlin, Inv.Nr. 1178 (9).

Allerdings herrscht auch die weitverbreitete Annahme, ägyptische Frauen hätten sich aus Papyrus oder anderem Gras eine Art Wegwerf-Tampon gebastelt; in römischer Zeit löste diese Stoffe wohl die Baumwolle ab, welcher ja bis heute Bestandteil jener Monatshygiene ist. Diese Tatsache machen sich heutige Tamponhersteller zunutze und ziehen so gegen die immer noch weit verbreitete öffentliche Meinung ins Feld, Binden seien natürlicher und bewährter. Die Tatsache, daß der Tampon bereits im alten Ägypten bekannt war, soll Frauen vom Gegenteil überzeugen.

Es folgt eine o.b. Anzeige aus einem Burda-Magazin von 1989:

Bei der in der Annonce abgebildeten Pflanze handelt es sich um Papyrus (cyperus papyrus).

Nur um dieser Anzeige Rechnung zu tragen sei auf den äußerst cleveren Aufbau hingewiesen: Tampons werden zunächst als etwas sehr Natürliches und Bewährtes vorgestellt. Sogar vor 4000 Jahren gab es bereits "Frauen, für die es ganz selbstverständlich war, einen innerlichen Menstruationsschutz zu verwenden". Der Übergang in unsere Zeit ist noch ziemlich allgemein gehalten, denn es gibt ja auch noch andere Tamponhersteller, die "natürliche Materialien" verwenden. Jetzt folgt der Schlüsselsatz, der der Leserin unterbewußt suggeriert, daß o.b. anderen Marken überlegen ist, ohne dies jedoch in irgendeiner Weise zu erwähnen. ("Aber im Vergleich zu früher ist ein o.b. Tampon viel hygienischer und sicherer.") Was den o.b-Tampon jedoch überlegen macht, wird nicht gesagt. Inwiefern ist dieser Tampon hygienischer? Auf welche Gefahr spielt das Wörtchen "sicher" an?

Es folgt eine Ellipse, denn es wird vermieden auszusprechen, wo sich der Tampon leichter einführen läßt.

Und schließlich ist das Wechseln des Tampons heute "so einfach, daß . . . so viele Frauen o.b.-Tampons für eine der besten Erfindungen der Welt halten", also so einfach wie die Handhabung einer Binde, mit der er ja schließlich konkurrieren muß.

Diese o.b.-Werbung dürfte ebenfalls aus den 80er Jahren stammen.

Da ich bereits die erste o.-b.-Anzeige "zerpflückt" habe, halte ich mich hier nicht mit der Analyse des Werbetextes auf.

Für diese Anzeige wurde ein Bild verwendet, welches die Verbindung zur Antike herstellen und die Existenz von Tampons während damaliger Zeit beweisen soll. Die farbenprächtige eindrucksvolle Abbildung zeigt zwei Hand in Hand einher schreitende Frauen und suggeriert wissenschaftliche Kompetenz durch die Leserin nicht zu kontrollieren.

In der Tat hat diese Wandmalerei nichts mit Tampons im Alten Ägypten zu tun. Es zeigt vielmehr eine Szene aus dem Grab der Nefertari in Theben (10). Nefertari (rechts), die "große königliche Gemahlin, die der König wahrhaft liebt", mit dem Festkleid der ersten königlichen Gemahlin angetan, wird von der Göttin Isis ins Jenseits geleitet. (Spitze Zungen könnten jetzt versucht sein zu behaupten, das Gemälde - so es dennüberhaupt etwas mit Menstruation oder Menstruationshygiene zu tun hat -, handle vom Toxic Shock Syndrom.)

Das einzige, das das Bild dieser Werbeanzeige mit der Menstruation verbindet ist die Göttin Isis selbst.

Wie die babylonische Ischtar verkörpert Isis die Persönlichkeiten mehrerer niederer Göttinnen, bis sie als die Universalgöttin von Ägypten und anderer Völker verehrt wurde. Aufgrund dieser Eigenschaft besaß sie auch den Beinamen Göttin der Zehntausend Namen. Der Isis-Kult, welcher fast schon monotheistischen Charakter hatte, war im gesamten Mittelmeerraum verbreitet und erreichte sogar den deutschen Rhein! Isis, Osires Schwester, dessen Tot sie beklagte und so auch Einzug in das Totenritual hielt, wurden auch Zauberkräfte zugeschrieben. Zudem wurde sie als Spenderin von Gesundheit angesehen, als personifizierte Weiblichkeit, welche die Frauen lehrte das Korn zu mahlen, Kleider zu weben und die Männer so zu zähmen, daß man mit ihnen leben konnte.

Isis kann wohl auch als Erfinderin des Tampons verstanden werden immer vorausgesetzt, es handelt sich bei dem Isis-Knoten um einen solchen Gegenstand.

Heute können wir wohl davon ausgehen, daß im Alten Ägypten beide Arten der Monatshygiene verwendet wurden, sowohl tamponähnliche Produkte als auch Binden. Welcher nun der Vorzug gegeben wurde, darüber gibt es keinerlei Hinweise.

Stellung der Frau

Die Frau behauptete im Vergleich zu anderen antiken Kulturen im Alten Ägypten wohl eine recht selbständige Stellung. Gemäß dem ägyptischen Ordnungsprinzip Ma'at wurden zumindest theoretisch keine Unterschiede zwischen Mann und Frau gemacht. Wie es jedoch in der Praxis umgesetzt wurde, darüber können wir nur spekulieren.

Eines jedoch ist sicher: In bezug auf das Vertrags-, Kapital- und Scheidungsgesetz, war die Frau dem Manne ebenbürtig, wobei letzterer wahrscheinlich aufgrund seiner wirtschaftlichen Überlegenheit im allgemeinen wohl doch mehr Rechte für sich in Anspruch nehmen konnte. Zieht man aber Vergleiche zu Ausländern, die weder Rechte an Leben noch am Besitz hatten, so wird die Situation wieder klar.

Heute jedenfalls genießen moslemische Frauen weitaus weniger Rechte und gesellschaftliche Absicherung als in antiker Zeit.

 

Schlußbemerkung:

Was die alten Texte anbelangt, so gibt es einige Unstimmigkeiten (wie auch Westendorfs Übersetzung des Papyrus Ebers zeigt). Auch in bezug auf die Monatshygiene läßt sich sicher noch mehr entdecken, doch mag bisher in einer seit Jahrzehnten von Männern beherrschten Gesellschaft einfach keine Notwendigkeit bestanden haben, das gültige von männlichen Normen geprägte Weltbild zu überprüfen, neu zu ergründen oder gar zu erschüttern.

Wie gesagt wurde das "Ägyptische Wörterbuch" kurz nach der Jahrhundertwende veröffentlicht, das Material hierfür war bis Ende des 19. Jahrhunderts zusammengetragen worden. Später gefundene bzw. veröffentlichte Quellen gingen daher nach dem "Redaktionsschluß" von 1909 nur noch bedingt oder gar nicht mehr in die laufende Arbeit ein.

Um mit Erich Kästner zu sprechen, die Schulbücher wurden nicht auf dem Berge Sinai geschrieben!

Im Gegenteil wird immer wieder nur Sekundärliteratur zitiert. Die gängigen Lehrbücher wurden bereits von unseren Großeltern verfaßt, welche diese ihrerseits wiederum nur von jemandem "abschrieben", der sie ebenfalls nur kopierte . . . usw.

Doch ein Silberstreif am Horizont macht sich bemerkbar: inzwischen sind in Deutschland etwa 70% aller Studierenden im Fach Ägyptologie Frauen, und wahrscheinlich wird auch demnächst die Besetzung der Lehrstühle entsprechend sein.

Es wird also in Zukunft bei uns Frauen selbst liegen, ob wir das manifestierte Bild der Menstruation (und nicht nur dieses) verändern können oder wollen.

(Links) Original-Papyrus, einer der wichtigsten Exportschlager des Alten Ägypten. Das Geheimnis seiner Herstellung wurde peinlichst gehütet; von Papyrus leitet sich unser Wort Papier ab.

 

Sollten Sie Fragen zu diesem Artikel oder zur Menstruation oder Monatshygiene allgemein haben, so würde ich mich freuen, Ihre e-mail beantworten zu dürfen. Für Kritik und Anregungen bin ich dankbar.

 

ANMERKUNGEN:

(1) Schreibweise gemäß Erman/Grapow, Anfang des Jahrhunderts

(2) In Frühgeschichtlicher Zeit lagen Medizin und Magie noch sehr eng beieinander. Und dies änderte sich eigentlich erst im Zeitalter der Renaissance, wo die Wissenschaft erwachte, und man auch langsam anfing, den menschlichen Körper zu untersuchen und zu verstehen.

(3) Der Papyrus Ebers, benannt nach dem Ägyptologen Georg M. Ebers (1837-1898), wurde während des sogenannten Neuen Reiches verfaßt (1550 -1450 v. Chr.), beruht aber wahrscheinlich auf älteren Quellen.

(4) Der Edwin Smith Papyrus erhielt seinen Namen nach einem amerikanischen Antiquitätenhändler (1822-1906); auch er wurde während des Neuen Reiches verfaßt und beruht auf einer früheren Quelle.

(5) Gemäß Prof. Dr. Wolfhart Westendorf handelt es sich hier um die Frucht einer unbekannten Pflanze

(6) Bezeichnung einer Pflanze

(7) Hier wird eindeutig klar: Man wußte bereits zu jener Zeit, dass Schwangerwerden während der Menstruation so gut wie ausgeschlossen ist ein Wissen, dass sich anscheinend später wieder verlor, denn die alten Griechen sahen die Menstruation als günstigsten Zeitpunkt für den Eintritt einer Schwangerschaft, ein Trugschluß, dem Ärzte aber bis in unser 19. Jahrhundert hinein erliegen sollten. (wie ich in späteren Aufsätzen über das antike Griechenland etc. noch zeigen werde)

(8) Aëtius, 6. Jh. n. Chr.

(9) Fundort: Theben/West, Grab der Königin Mentuhotep. Datierung 17. Dynastie (sogn. 2. Zwischenzeit), etwa um 1600 v. Chr.

(10) Theben, Königinnengräbertal, das sogenannte Vestibül

 

DANKSAGUNG:

Besonderer Dank gilt Herrn Orell Witthuhn von der Philipps-Universität Marburg, der durch seine fundierte Kenntnis und seine sofortige Bereitschaft, mich mit Informationen zu versorgen, einen wesentlichen Beitrag zum Gelingen dieses Aufsatzes beitrug.

Wertvolle Unterstützung erhielt ich ebenfalls von Frau Prof. Dr. Jael Backe vom Biozentrum der Universität Würzburg, sowie von Dr. Terry G. Wilfong, Assistant Professor of the Egyptology Department of Near Eastern Studies und Assistant Curator for Graeco-Roman Egypt am Kelsey

Museum of Archaeology von der University of Michigan in Ann Arbor.

 

QUELLEN:

British Museum, London

The Edwin Smith Surgical Papyrus, Rs 20,13-21,3, translated by James Henry Breasted, The University of Chicago Press, 1930

A. Erman, Zaubersprüche für Mutter und Kind

Der Große Brockhaus, Kompaktausgabe, 18. Auflage, F. A. Brockhaus, Wiesbaden

R. Hall, Egyptian Textiles, Aylesbury, 1986

Wolfgang Helck, Eberhard Otto, Lexikon der Ägyptologie, Otto Harrassowitz, Wiesbaden, 1992

Mary R. Lefkowitz, Aëtius on Clitoridectomy, Wellesley College, 1998

Miriam Lichtheim, Ancient Egyptian Literature, University of California Press, 1980

Patricia Monaghan, Lexikon der Göttinnen, Scherz Verlag, 1997

Gay Robins, Frauenleben im alten Ägypten, C.H. Beck'sche Verlagsbuchhandlung München, 1996

Setne I is preserved in the Cairo Museum Papyrus No. 30646

Papyrus Edwin Smith, Rs 20,13-21,3, translated by Prof. Dr. Wolfhart Westendorf, Verlag Hans Huber, Stuttgart

William A. Ward, The Egyptian Economy and Non-royal Women: Their Status in Public Life, NEH Lecture, Brown University, 1995

Renate Waschek, Dieses kleine Stück Watte . . ., Werner Pieper's MedienXperimenrte, Löhrbach, 1991

Wolfhart Westendorf, Erwachen der Heilkunst: Die Medizin im Alten Ägypten, Artemis & Winkler, 1992

Walter Wreszinski, Papyrus Ebers Umschrift, Übersetzung und Kommentar, J. C. Hinrichs'sche Buchhandlung Leipzig, 191

 

©1998 Petra Habiger

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